
8.27.2025
Schmerzen und Stärke: Sarah Ruggins über ihre Rekordfahrt durch Großbritannien
Am 16. Mai 2025 sicherte sich Dr. Sarah Ruggins einen Eintrag im Buch der Guinness World Records für die schnellste Tour hin und zurück quer durch das Vereinigte Königreich. Die Strecke über 2.700 km und fast 18.000 Höhenmeter führte sie von der Siedlung John o‘Groats im Nordosten des schottischen Festlands nach Land‘s End an der Südwestspitze Englands und zurück. Diese in Fachkreisen auch LE-JOG-LE genannte Route bewältigte sie in 5 Tagen, 11 Stunden und 14 Minuten.
Diese Leistung an sich ist bereits außergewöhnlich, doch beim Blick auf Sarahs Geschichte wird sie umso bemerkenswerter. Denn im Alter von 15 Jahren veränderte sich das Leben der jungen Leichtathletin mit berechtigten Olympiahoffnungen auf dramatische Weise, als bei ihr eine seltene, schwere Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde. In der Folge konnte sie nicht mehr gehen, ihre Hände nicht mehr benutzen und sich überhaupt nicht mehr bewegen – und verbrachte Jahre in der Intensivpflege und Reha.
Allen Widrigkeiten zum Trotz baute sie sich über den Bildungsweg ein stabiles Leben auf. Sie erwarb mehrere Abschlüsse und wurde schließlich Wirtschaftsprofessorin. Im Jahr 2022 entdeckte sie den Radsport für sich und nahm bereits nach wenigen Monaten an einigen der härtesten Ultralangstreckenrennen der Welt teil.
Im Alter von nunmehr 37 Jahren stellte Sarah den neuen Rekord mit Unterstützung eines engagierten achtköpfigen Helferteams auf. Dabei trug sie Funktionskleidung, die sie bei ihren vielen Stunden im Sattel bestmöglich unterstützte, darunter Teile der GOREWEAR Kollektion. Zwei Monate nach ihrer Rekordfahrt haben wir mit Sarah darüber gesprochen, wie sie sich von ihrer Tour erholt hat, welche Einstellung wichtig für sie ist, worauf es bei der passenden Ausrüstung ankommt und was es bedeutet, alle Grenzen zu überwinden.
Wie fühlt es sich an, diesen neuen Rekord aufgestellt zu haben?
Ich empfinde vor allem große Dankbarkeit – gegenüber meinen Coaches, meinem Team und allen Menschen, die meinen Weg im Mai verfolgt und mich angefeuert haben. Die Liebe und Unterstützung, die mir am Straßenrand zuteil geworden sind, haben mich sehr bewegt. Ich habe gespürt, wie wichtig eine Community für so einen Erfolg ist. Es gibt kein besseres Gefühl, als mein Vorhaben in die Tat umgesetzt zu haben, obwohl ich zugeben muss, dass es weitaus härter war, als ich es mir je hätte vorstellen können.
Wie haben die Leute auf deinen Rekord reagiert? Gab es Nachrichten oder Momente, die dir besonders im Gedächtnis haften geblieben sind?
Da sind zwei Dinge: erstens die Unterstützung von so vielen Frauen entlang der Route. Sie haben mich angefeuert, damit ich etwas Historisches für Frauen im Radsport erreiche. Ich hatte das Gefühl, all diese Frauen verleihen mir mit ihrer Unterstützung unglaublichen Rückenwind. Zweitens gab es sehr viele Männer, die mich aktiv unterstützt haben. Das hat mir ein Gefühl von Zugehörigkeit in diesem männerdominierten Sport gegeben. Besonders toll waren die Väter, die ihre Töchter zur Strecke mitgebracht haben, um mich anzufeuern. Das hat mir gezeigt, dass der Sport über Geschlechtergrenzen hinausgeht. Frauen können auf Augenhöhe antreten. Wir sind kein „weibliches Beiwerk“, sondern echte Athletinnen, die neben unseren männlichen Kollegen bestehen können.
Du arbeitest in einer leitenden Vollzeitfunktion in einem Finanzinstitut. Würdest du zustimmen, dass dir der Radsport dabei geholfen hat, Widerstandsfähigkeit zu entwickeln und besser mit Stress im Berufsleben umzugehen?
Definitiv. Jeder Sport erfordert Disziplin, Fokus und in meinem Fall auch Teamfähigkeit sowie Führungskompetenz. All diese Dinge lassen sich auch auf andere Lebensbereiche übertragen.
Was hat dich inspiriert, diese unglaubliche Herausforderung anzunehmen, einmal quer durch ganz Großbritannien und zurück zu radeln?
Dafür gab es zwei Gründe: Erstens wollte ich mir beweisen, dass ich stärker bin, als ich es mir selbst eingestehe, und dass ich es verdiene, hier dabei zu sein. Zweitens wollte ich auf unsere Wohltätigkeitsorganisationen aufmerksam machen: The Bike Project (England) und Bikes for Refugees (Schottland). Diese Organisationen reparieren gebrauchte Räder und stellen sie Asylsuchenden zur Verfügung, die oftmals mit sozialer Isolation konfrontiert sind und kein Geld für andere Transportmittel haben. Wir haben das Privileg, aus Spaß an der Freude Rad zu fahren. Doch diese Organisationen erinnern uns daran, dass ein Fahrrad das Leben vieler Menschen als Transportmöglichkeit verändern kann, da sie dadurch Zugang zu Bildung, Sprachkursen, Lebensmittelausgabestellen oder medizinischer Versorgung erhalten. Bis heute haben wir dank zahlreicher großzügiger Spenden über 20.000 Pfund für diese Organisationen sammeln können.
Wie hast du dich körperlich und mental auf diese Herausforderung vorbereitet?
Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass man für große Ziele auch sehr viel opfern muss. Neben meinem Vollzeitjob habe ich einen hochprofessionellen Elite-Trainingsplan mit wöchentlich bis zu 30 Trainingsstunden in meinen Alltag eingebaut und mit einem renommierten Radsporttrainer sowie einem Athletikcoach zusammengearbeitet. Über einen Zeitraum von sechs Monaten war jede Stunde meines Tages, sieben Tage die Woche, genau geplant. Außerdem musste ich lernen, von meiner Leistungsfähigkeit überzeugt zu sein, anstatt mit mir selbst zu verhandeln, ob ich das Unmögliche wirklich wagen soll.
Waren Schlafentzug und Fahrten bei Nacht Teil deiner Vorbereitung?
Nachtfahrten waren nichts Neues für mich und machen mir auch Spaß. Aber ich habe einmal pro Monat Schlaftraining gemacht. Meist habe ich nach der Arbeit am Freitag eine Fünf-Stunden-Tour eingelegt, dann drei Stunden geschlafen und direkt danach eine Tour über sechs Stunden angeschlossen. Dadurch konnte ich neben der physischen auch die emotionale Seite trainieren. Es ging weniger um Schlafentzug, sondern vielmehr darum, mich darauf vorzubereiten, während des Events mit nur 90 Minuten Pause pro 24 Stunden auszukommen.
Gab es Streckenabschnitte, auf die du dich besonders gefreut hast oder die dich nervös gemacht haben? Was war der schwierigste Moment, körperlich oder mental, den du überwinden musstest?
In der vierten Nacht verlor ich auf dem Rad das Bewusstsein und bin in einen hypoglykämischen Schock gefallen. Ich hatte zu jenem Zeitpunkt weniger als drei Stunden geschlafen und das rächte sich. Doch mein Team hat die Rekordfahrt in dieser Situation gerettet: Es gab mir Energiegels, Koffein und hat mir mit einer hellen Lampe in die Augen geleuchtet, um mich aufzuwecken. 90 Minuten später war ich wieder auf dem Rad und konnte in den nächsten 24 Stunden 520 km absolvieren. Das zeigt, wie wichtig ein gutes Team ist, dass dich bis ins Ziel begleitet, auch wenn es für die Leute nicht schön ist, dich in einem solchen Zustand zu sehen. Dieser Rekord gehört auch meinem Team. Es hat Entscheidungen getroffen, die mein Wohlergehen und den erfolgreichen Abschluss des Unterfangens in den Vordergrund gestellt haben, als ich selbst nicht dazu in der Lage war.
Gab es unerwartete Höhepunkte während des Rennens? Du hast von einem meditativen Zustand gesprochen, kannst du mehr darüber erzählen?
Ich habe auf Musik oder Podcasts verzichtet. Stattdessen habe ich meditiert. Dabei standen drei Dinge für mich im Mittelpunkt, die ich selbst beeinflussen konnte: meine Power, meine Kadenz und mein Puls. Alles andere war für mich Ablenkung, auch die Frage, ob ich noch auf Rekordkurs bin. Dadurch blieb ich immer im Rahmen meiner Möglichkeiten und konnte mich auf das Vorankommen konzentrieren – auch wenn ich Schmerzen hatte, es kalt war oder ich meine Augen kaum offen halten konnte.
Du hast „Focus. Discipline. Gratitude.“ auf dein Bike geschrieben. Was haben dir diese Worte unterwegs bedeutet?
Fokus bezieht sich auf die Dinge, die ich beeinflussen kann, also Power, Puls und Kadenz.
Disziplin hieß für mich, die Pausenzeiten zu beschränken und immer so effizient wie möglich voranzukommen.
Dankbarkeit bedeutet, dass diese Tour das Leben feiert, dass ich stolz auf die Leistungsfähigkeit meines Körpers bin und dass ich geliebte Menschen um mich herum habe, die mir dabei helfen, Radsportgeschichte zu schreiben.
Du hattest ein achtköpfiges Unterstützerteam. Wer waren diese Leute und wie haben sie zu deiner Rekordfahrt beigetragen?
Ryan: mein Partner und Teamleiter
Pete: Mechaniker
Ali: Ernährung und Athletenbetreuung
Alastair: Daten/Logistik
Dan: Navigation
Andy: Navigation
Daisy: Ernährung und Athletenbetreuung
James: Fotos und Social Media
Sourcy Film: Doku
Wir haben die Leute auf zwei Teams zu je drei Leuten aufgeteilt, die sich alle zwölf Stunden abwechselten. Ein Teil war immer im Begleitfahrzeug, während der andere sich im Wohnmobil ausruhen konnte. Die Medien blieben immer in ihren eigenen Fahrzeugen.
Du bist fünf Tage nahezu ohne Pause durchgefahren. Wie hast du deine Ausrüstung für die Tour ausgewählt?
Ich war mehr als 22 Stunden pro Tag in einer aerodynamischen Position, deshalb haben wir besonderen Wert auf Komfort gelegt. Ich trug Funktionskleidung und Zubehör von GOREWEAR, das ich schnell an- und ausziehen konnte. Ich trug eine Trägerhose und ein Kurzarmtrikot, dazu bei Bedarf GOREWEAR Armlinge und Beinlinge. Darüber zog ich ggf. den neuen SPINSHIFT Windbreaker oder die SPINSHIFT GORE-TEX Jacke, oder auch das Progress Thermo Trikot, um die frostigen Nächte zu überstehen. Wir hatten drei verschiedene Handschuhe von GOREWEAR, die ich entsprechend den Bedingungen gewechselt habe: einfache Handschuhe, winddichte Handschuhe oder die GORE-TEX wasserdichten isolierten Handschuhe für die Nächte, in denen das Thermometer unter Null fiel. All das hat mir bei dieser enormen Herausforderung maximalen Komfort garantiert.
Wie hat dir unser neuer SPINSHIFT Windbreaker gefallen, nachdem du ja bereits das Vorgängermodell getragen hast?
Er war für mich unverzichtbar, da wir Temperaturen zwischen -3 °C und 28 °C hatten, manchmal innerhalb eines Tages. Ich habe den Windbreaker meist in den Morgenstunden getragen, als die Luft feucht und kühl war. Er hat meinen Oberkörper hervorragend vor dem Auskühlen geschützt, ohne dass viele Schichten notwendig waren. Ich konnte ihn einfach über dem Trikot und dazu meine Bibshorts tragen, ohne die Beinlinge überziehen zu müssen. Das hat mir genügend Wärme und mehr Zeit auf dem Bike beschert. Der Windbreaker ist leicht, atmungsaktiv und lässt sich während der Fahrt superschnell an- und ausziehen. Er hat sich bei allen Bedingungen als unglaublich wertvoll erwiesen.
Was war die wichtigste Erkenntnis, zu der du bei dieser Herausforderung gelangt bist, sei es in Bezug auf den Radsport oder dich selbst?
Dass die Grenzen, die wir uns setzen, selbst auferlegt sind. Wenn du mit der richtigen Einstellung zu dir selbst sprichst, Gleichgesinnte um dich herum hast und bereit bist, Opfer zu bringen, kannst du weit über deine vermeintlichen Grenzen hinausgehen. Das ist das größte Geschenk, das du dir selbst machen kannst.
Was steht als Nächstes an? Planst du weitere Ultralangstreckenrennen? Und welche Inspiration können vor allem andere Frauen aus deiner Leistung ziehen?
Ich möchte zeigen, dass das Leben nicht schlecht sein muss, nur weil es eine andere Richtung einschlägt, als wir es vielleicht erwartet haben. Das größte Geschenk, das du dir selbst und deinen Lieblingsmenschen machen kannst, ist, immer weiter zu machen – auch wenn du nicht weißt, wohin die Reise führt. Verfolge deine Ziele mit einer gewissen aggressiven Geduld, denn Fortschritte stellen sich mit kontinuierlichen kleinen Verbesserungen und nicht mit einer großen monumentalen Anstrengung ein.
Im nächsten Jahr plane ich ein größeres Projekt, bei dem ich über einen noch längeren Zeitraum noch schwierigeren Bedingungen ausgesetzt sein werde. Mein Ziel ist es, die Möglichkeiten der menschlichen Ausdauer nicht nur für Frauen, sondern für alle neu zu definieren.
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